Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen
Anlässlich der Proteste gegen den Naziaufmarsch in Neuruppin, haben wir folgenden Flyer verteilt, um auf die Situation in Rheinsberg aufmerksam zu machen. Bekommen hat ihn der Bürgermeister auch. Ob er ihn auch gelesen hat, wird sich erweisen.
Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen!
Der Umgang der Stadt Rheinsberg mit rechter Gewalt
In der Nacht vom 26. auf den 27. Juni wurde in Rheinsberg der selbstverwaltete Jugendklub der Falken von Nazis angegriffen. Er wurde verwüstet, Scheiben wurden eingeschlagen und mehr als eindeutige Botschaften hinterlassen: „Linke raus“, „Linke geht arbeiten“, „Abschaum“ und eine mit dem amerikanischen Zahlencode 187 codierte Morddrohung fanden sich an den Fenstern und auf den Bänken der Einrichtung.
Der Angriff war nur eine Frage der Zeit. Ende der 90er, Anfang der 2000er Jahre war Rheinsberg eine der Nazihochburgen in Brandenburg. In den letzten Jahren ist es um Rheinsberg ein wenig ruhiger geworden. Diese Ruhe ist seit einigen Monaten vorbei: Schon im März gab es einen Übergriff in unserem Pavillon, bei dem linke Plakate von Nazis verbrannt wurden. Seit Anfang Mai sind die Schriftzüge "Linke geht arbeiten" und "Linke Raus!" in Rheinsberg an der Tagesordnung.
Die Stadt übt sich angesichts dessen in Realitätsverweigerung. Bürgermeister Rau warnt vor Schnellschüssen und sieht einen rechten Hintergrund als nicht erwiesen an. Gerade so, als ließen die hinterlassenen Botschaften noch irgendeinen Interpretationsspielraum, möchte man in Rheinsberg die Hände in den Schoß legen und erst einmal die Ermittlungsergebnisse der Polizei abwarten. Diese geht indes ohnehin davon aus, dass es in Rheinsberg keine rechten Strukturen gibt. Dabei ist es völlig gleichgültig, ob der Angriff von organisierten Nazis ausging oder nicht. Die hinter dem Angriff stehende Geisteshaltung muss bekämpft werden. Und diesen Kampf will die Stadt nicht führen sondern philosophiert allgemein über "Vandalismus", den man selbstverständlich verfolgen wolle und spricht dem Angriff so seinen rechten Charakter ab.
Das Problem rechter Jugendkulturen wird in Rheinsberg verharmlost und wegdiskutiert. Selbst dann, wenn es sich gewaltförmig äußert. Das erinnert frappierend an den Beginn der 2000er-Jahre, als man erst angesichts brennender Imbissbuden feststellte, dass man ja vielleicht doch ein Problem hat.
Bis auf weiteres übt man sich in entspannter Dreistigkeit: So wie es in Rheinsberg keine Probleme mit rechten Jugendlichen gibt, gibt es in Rheinsberg folgerichtig auch keine Notwendigkeit für Jugendarbeit. So sieht man das zumindest mehrheitlich in der Stadtverordnetenversammlung und auch in der Administration. Initiativen zur Schaffung von Personalstellen in der Jugendarbeit, die es von Falken und der DGB-Jugendbildungsstätte gab, wurden im Keim erstickt. Die Stadtverordneten verweigerten beiden Trägern die erforderliche Kofinanzierung. Im unserem Fall ging es um 11.000 € für zwei Jahre für die Finanzierung einer Vollzeitstelle. Die Stelle sollte explizit Projekte gegen Ausgrenzung und Diskriminierung durchführen und rechte Denkstrukturen bekämpfen.
Solche Jugendarbeit ist in Rheinsberg nicht erwünscht. Es wird diese Stellen jetzt nicht geben. Dies ist aber auch nicht nötig: Bürgermeister Rau verweist auf eine Vielzahl von Angeboten für Jugendliche, die "im Verborgenen" stattfinden würden. Diesem Zynismus können wir nur mit der Aufforderung begegnen, die verborgene Jugendarbeit transparent zu machen, damit auch jemand an ihr teilhaben kann.
Wir fordern von der Stadt Rheinsberg ihre Scheuklappen abzulegen und sich dem Problem rechter Jugendstrukturen in der Stadt zu stellen und diese zu bekämpfen!
Wir fordern, dass die Stadt sich ihrer Verantwortung stellt und Projekte offener Jugendarbeit und außerschulischer Jugendbildung unterstützt anstatt ihnen Knüppel zwischen die Beine zu werfen!